Aber: Es gibt auch Bürgerinnen und Bürger, die Vollmöller ebenfalls, aber anders kennengelernt haben. Und zwar nicht als den Besten seiner Art, sondern als einen Mann des negativen Bewahrens, des Stillstandes. Alles das, was er jetzt vorgibt, für seine Stadt geleistet und ihre Entwicklung vorangetrieben zu haben, lohnt einer detallierten Betrachtung. So ist also ein klassischer Bürgermeisterwahlkampf den Vollmöller meidet – natürlich bestens geeignet, das zu beleuchten, was nicht geleistet wurde und schief gegangen ist. An ihm geäußerte Kritik ist für den dünnhäutigen Vollmöller und seine CDU-Gefolgsleuten eine Majestätsbeleidigung. Aber so sind nun mal die Spielregeln, denen sich ein Amtsinhaber und dessen Freunde stellen müssen.
Felix Wohlfahrt, frisch gewählter Vorsitzender der Lauterbacher Union, hat die Aschermittwochsrede des SPD-Bürgermeisterkandidaten Dirk Kurzawa tief getroffen und ihn dazu veranlasst, seine Solidarität mit dem Parteifreund Vollmöller zum Ausdruck zu bringen (ebenfalls nachzulesen im LA vom 8. März). Kurzawa schlechten politischen Stil und fehlenden Anstand" vorzuwerfen, ist reichlich überzogen, gehört aber zum Instrumentarium des klassischen Wahlkampfes- den Vollmöller ja angeblich gar nicht führen möchte.
Der CDU-Stadtverbandsvorsitzender hätte in seiner
Reaktion auf die Kurzawa-Rede auch da sollte Vollmöller die leeren klappernden Töpfe in den eigenen Reihen bremsen, will er glaubwürdig bleiben – schon mal sachorientiert erklären können, wie die CDU und deren Kandidat sich bei der desolaten Haushaltssituation die weitere Zukunft der Kreisstadt vorstellt.
Interessant ist im übrigen auch noch, dass die Lauterbacher CDU nach gleichem Muster den für Lauterbach inzwischen klassisch gewordenen Wahlkampf betreibt. Auch schon bei der Kandidatur der Genossin Claudia Blum wurde versucht, einen Keil zwischen die – ach so freundliche! – SPD-Stadtverordnetenfraktion und die unfreundliche Kandidatin zu treiben.
Wortlaut der "Aschermittwochsrede"
Doch zurück zum Ausgangspunkt des nun endlich begonnenen klassischen Wahlkampfes, und zwar die Aschermittwochsrede des Kandidaten Dirk Kurzawa. Er hat folgendes ausgeführt:
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde sehr geehrte Gäste
Ich freue mich sehr, dass Sie/Ihr heute hier so zahlreich erschienen seid und begrüße sie alle recht herzlich. Und auch, wenn ich nun eine kleine Rede halten möchte, liegt das Hauptaugenmerk auch heute darauf, mit Ihnen/Euch und miteinander zu reden und nicht zu oder über Euch. Deswegen werde ich mich hier und heute sehr kurz fassen!
Heute ist Aschermittwoch. Beginn der Fastenzeit, Ende der tollen Tage. Dabei hat der politische Aschermittwoch, wie wir heute unser Zusammentreffen genannt haben, eine lange Tradition, die sich bis ins Jahr 1580 zurückverfolgen lässt. Hier wurde früher das politische Tagesgeschehen erörtert. Und erst nach dem 2. Weltkrieg bekam er die polemische Schärfe, mit der der politische Gegner ohne detaillierte Sachkritik attackiert wird. Ich möchte mich heute auf die Tradition beziehen und das politische Tagesgeschehen erörtern. Sollte sich doch die eine oder andere polemische Attacke eingeschlichen haben, so ist das, wenn man dem Agieren unseres derzeitigen Bürgermeisters folgt, in Anlehnung an Heinrich Böll, weder beabsichtigt, noch zufällig, sondern unvermeidlich.
Wir haben nun noch 46 Tage bis Ostersonntag. Und 76 Tage bis zum 25. Mai, dem Tag der Bürgermeisterwahl in Lauterbach.
(Weiß eigentlich jemand, warum die Fastenzeit 46 und nicht die 40 Tage beträgt, die Jesus gefastet hat? Man könnte meinen, die christliche Kirche wollte schon einmal Vorsorge treffen und ein paar Tage drauf legen, damit man sich am Ende daran gewöhnt, und schon einmal erahnen kann, wie es sich anfühlt, wenn das ganze Jahr Fastenzeit ist. Denn irgendwie scheinen wir nach dem Schutzschirm nun noch weiter den Gürtel enger schnallen zu müssen vielleicht dann demnächst das ganze Jahr).
Die Gründe dafür mögen in der Vergangenheit liegen. Aber nicht in der allzu fernen. Lauterbachs Schulden haben sich in den letzten 18 Jahren verdoppelt. In diesem Zusammenhang höre ich häufig die Worte Konsolidierung seit 1997.
Im Allgemeinen versteht man unter Konsolidierung Gesundung der Staatsfinanzen. Ich frage mich, welche Gesundung hier gemeint ist. Stellen Sie sich vor, Sie gehen Sie zum Arzt und der sagt Ihnen: Sie konsolidieren gerade und sind nun doppelt so krank wie beim letzten Besuch! Entweder würden Sie an Ihrem Verstand zweifeln oder an dem Ihres Arztes. Und wenn Sie clever sind, machen Sie zweiteres und ziehen daraus auch Ihre Konsequenz und wechseln den Arzt! Ich empfinde es persönlich als Polemik pur, wenn jemand, der die Schulden verdoppelt es überhaupt wagt, das Wort Konsolidierung in den Mund zu nehmen.
Die Ursachen für die – man kann es nicht anders sagen – desolate Haushaltssituation in Lauterbach mögen in der Vergangenheit viele Gründe haben. Wegzüge einiger Unternehmen (Günther, Jöckel, Stabernack), hohe Investitionen in Bauprojekte, die nun durch Abschreibungen und Zinsleistungen im starken Ausmaß den Ergebnishaushalt belasten. Aber auch suboptimale Prozesse – wie letztens bei den Kläranlagen gezeigt, konnten durch geringe Investitionen und intelligenter Prozesssteuerung rund 50.000 gespart werden. 50.000 bei 200.000 Betriebskosten also 25 Prozent. Allerdings auch 50.000 Euro, die in der Vergangenheit Jahr für Jahr unnötig ausgegeben wurden und demnach mitverantwortlich für das Haushaltsdefizit sind. Uns gaukelt der Verwaltungs-Chef immer vor, die Prozesse seien bis zum letzten Bleistiftverlängerer ausgereizt. Das sind sie aber nur in seiner Denkweise. Wie sich aber zeigt, ist diese ausgereizt. Ich kann und mag das Einsparungs-Potenzial, und ich meine jetzt nicht Leistungskürzungen oder Personalreduzierung, sondern speziell diese Form der Prozessoptimierung, nicht abschließend abschätzen, denke aber, dass wir hier in einigen Bereichen deutliche Entlastungen erreichen können.
Beispiel 2 der jüngeren Vergangenheit: Die Friedhofgebühren und das dortige Defizit. Warum in anderen Gemeinden die Friedhofsgebühren günstiger sind, interessiere ihn nicht, sagte er jüngst in der letzten Stadtverordneten-Versammlung. Inzwischen habe ich schon desöfteren zu hören bekommen, dass man es nun von den Toten nehme, weil bei den Lebenden nichts mehr zu holen sei. Hier hatten wir den Vorschlag gemacht, einerseits die Gebühren deutlich weniger anzuheben als zunächst vorgesehen, dafür aber auch gleichzeitig ein Konzept zu erarbeiten, dass die Pflegekosten der Friedhofsanlagen um weitere 20% senkt möglicherweise auch bei einer Reduzierung von Leistungen. Schließlich werden in anderen Bereichen auch Leistungen reduziert. Hier wurden wir überstimmt und eine Anhebung der Gebühren in zwei Schritten beschlossen, wobei nur der erste Schritt zunächst vollführt wird. Lothar Pietsch sprach in diesem Zusammenhang scherzhafter Weise von einem potenziellen Anlagemodell, jetzt noch schnell zu alten Konditionen seine Grabstelle zu erwerben notfalls auf Pump bei den Zinsen. Und bei einem frühen Ableben braucht man sich dann nicht einmal über die Kreditrückzahlung Gedanken machen. Wer früher stirbt, spart. wenn das keine tröstlichen Aussichten sind zum Auftakt der Fastenzeit!
Wenn diese Beispiele nicht so traurig wären, könnte man darüber lachen. Aber es ist nicht zum Lachen. Lachen können wir erst wieder, wenn wir mit neuen Konzepten und neuen Ideen dazu beitragen, dass sich die Abwärtsspirale, in der wir uns nun schon seit geraumer Zeit befinden und die sich in den letzten Jahren beschleunigt hat, auflösen. Wir haben noch 76 Tage bis zur Bürgermeisterwahl. 76 Tage, in denen ich zeigen möchte, dass ich die Alternative zum Stillstand der letzten 18 Jahre bin. Und es liegt auch an Euch allen hier Anwesenden, ob es uns gelingt, davon eine Mehrheit in der Bevölkerung zu überzeugen. Davon zu überzeugen, dass 46 Tage Fasten im Jahr genügen und nicht das ganze Jahr Aschermittwoch sein darf!
Und vielleicht ist es ja so, dass der vor mehr als 100 Jahren kreierte Strolch so etwas wie hellseherische Fähigkeiten besitzt, zumindest aber Weitsicht, wenn er nicht nur barfuß (also abgebrannt) einen Schutzschirm bei sich hat, sondern in seiner Botanisiertrommel eine gute Flasche Wein versteckt hielt.
Ich danke für Ihre/Eure Aufmerksamkeit!
(ggf. noch auflösen, warum 46 Tage von Aschermittwoch bis Ostersonntag)
mapaschorsch