
Gerne wären die Lauterbacher Sozialdemokraten aus der Kommunalwahl als stärkste Fraktion hervorgegangen, auch um mit einer eigenen Koalition endlich wieder selber politische Schwerpunkte in der Stadt zu setzen. Daraus wurde nichts. Erneut muss sich die SPD in die Rolle der Opposition fügen. Wir nehmen die Rolle an, sagt Fraktionsvorsitzender Dirk Kurzawa und ergänzt: Wir werden auch weiterhin versuchen, mit Sachthemen etwas zu bewegen und durch einen konstruktiven Dialog Mehrheiten für unsere Politik zu finden.
Breit ist die Themenpalette, der sie sich in der neuen Legislaturperiode widmen wollen. Was ihnen besonders am Herzen liegt, skizzieren die Lauterbacher Sozialdemokraten im Gespräch mit unserer Zeitung. Bei allem, was getan werde, gelte es immer, die Haushaltskonsolidierung im Auge zu behalten, sagt Kurzawa und Berthold Habermehl ergänzt: Das beinhalte bei allen sicher wünschenswerten, aber nicht unbedingt zwingend notwendigen Anschaffungen auch, Einsparpotentiale einzufordern. Als Beispiel nennen sie die Anschaffung von Stromaggregaten für die Lauterbacher Feuerwehr, eine Investition, die die SPD gerne zurückgestellt hätte. Wenn wir Dinge in Frage stellen, heißt das nicht, dass wir deshalb die Bedeutung der Feuerwehr verkennen, stellt Joachim Schönfeld klar. Definiertes Ziel seien Grundsteuer- und Gebührensenkungen und die Haushaltssanierung, um die Bürger zu entlasten.
Ein familienfreundliches Lauterbach möchten die Genossen. Das bedeutet für sie auch, eine gebührenfreie Kinderbetreuung zu gewährleisten. Wir müssen als Stadt viel mehr Druck auf das Land ausüben, ist Habermehl überzeugt.
Eng damit verbunden sei eine attraktive Stadtentwicklung, die von der Verwaltung und der Kommunalpolitik aktiv gestaltet werden müsse. Ein Leerstandskataster für Immobilien reiche da nicht aus. Eine aktive Beseitigung des Leerstandes durch die Stadt, kann sich Dirk Kurzawa vorstellen. Etwa durch den Ankauf alter Häuser und deren Herrichtung für eine Vermarktung oder auch durch Abriss, um die Grundstücke dann wieder zu verkaufen. Und er erinnert in diesem Zusammenhang an das von der SPD angeregte Förderprogramm Jung kauft alt, das ein weiterer Baustein sein könne, mit dem Familien beim Kauf und der Sanierung älterer Häuser gefördert würden.
Zentrales Thema für eine erfolgreiche Zukunft der Kreisstadt sei das Thema Wirtschaftsförderung. Die SPD fordert die weitere Ausweisung von Gewerbeflächen. Es gibt in Lauterbach nicht mehr viele freie Flächen, bedauert Kurzawa. Eine große Bedeutung komme dem neuen Wirtschaftsförderer Lothar Pietsch zu. Als Ansprechpartner für die Wirtschaft müsse der Erste Stadtrat ein breites Spektrum abdecken. Sich auskennen, sich Interessenten wirklich widmen. Wenn jemand Interesse an einer Ansiedlung hat, reicht es nicht aus, ihn aufs Internet zu verweisen, betont Conny Hentz-Döring und Timo Karl ergänzt: Er muss Ansprechpartner, sowohl für neue als auch bestehende Unternehmen sein. Er muss als Koordinator fungieren und die Menschen zusammenbringen. Dass es ab dieser Legislaturperiode einen Zuständigen für Wirtschaftsangelegenheiten gibt, finden die SPD-Vertreter gut. Gerne möchten wir Pietschs Vorstellungen im persönlichen Gespräch mit ihm kennenlernen, wünscht sich Kurzawa.
Was fehlt im Städtchen, ist nach Ansicht der SPD ein schlagkräftiger Gewerbeverein, für den die Politik jedoch nur unterstützend tätig werden könne. Der Anstoß zu einer Gründung müsse von den Gewerbetreibenden selber kommen.
Eng verbunden damit müsse die Fortentwicklung des Tourismus sein. Dass Lauterbach wieder bei der Vogelsberg Touristik mitmache, sei ein guter Anfang. Aber weitere Aktionen und Ideen müssten folgen. Ideengeber könnten durchaus auch Fachleute von außen sein. Und was da ist, muss auch gepflegt und weiterentwickelt werden, fordert Habermehl und nennt als negatives Beispiel die Bachtour, die einst hoch gelobt jetzt ein eher trauriges Dasein friste und um die sich keiner mehr wirklich kümmere. In der Verwaltung gelte es generell, durchaus vorhandene kreative Potentiale noch viel besser zu nutzen.
Apropos Potentiale: Da kommt die SPD natürlich auch auf das Bahnhofsgelände zu sprechen, das es künftig besser zu nutzen und zu gestalten gelte. Der Bahnhof und sein Gelände sind das Gesicht, das Entree der Stadt, sagt der Fraktionsvorsitzende und fordert einmal mehr den Ankauf des Geländes rund um das Bahnhofsgebäude. Wir müssen es für uns als Stadt erstmal sichern, sagt Kurzawa und Habermehl ergänzt, dass es seitens der CDU müßig sei, stets zu betonen, dass die Bahn sich ihrer Verantwortung entziehe. Gemeinsam mit den in der Nachbarschaft bereits angesiedelten Unternehmen, die an einen Tisch geholt werden sollten, müsse dort ein attraktives Umfeld geschaffen werden.
Doch nicht nur in der Kernstadt sieht die SPD ihre Arbeitsfelder. Auch in den Stadtteilen gebe es Einiges zu tun. Die Dorfgemeinschaftshäuser müssen erhalten werden, fordert Berthold Habermehl und weiß als Frischbörner Ortsvorsteher, wie wichtig die für die Identität der Dörfer sind. Hier muss Leben stattfinden können. Dazu gehöre auch die stärkere Würdigung des Ehrenamtes. Ein falscher Weg sei die Kürzung der Verfügungsmittel für die Ortsbeiräte. Denn das in den Dörfern eingesetzte Geld bringe einen weitaus höheren Mehrwert für die Gemeinschaften.
Zeichen der Würdigung und des Interesses könnte nach den Vorstellungen Habermehls und Hentz-Dörings auch das Abhalten von Parlamentssitzungen in den Stadtteilen sein. Das müssen wir machen, vielleicht sollten wir auch den Ortsvorstehern dabei jeweils die Möglichkeit einräumen, kurz das Dorf und die Knackpunkte zu thematisieren. Die Demokratie müsse an der Basis gelebt werden, plädieren sie für einen intensiveren Dialog.
Basisdemokratie will die SPD auch in ihren eigenen Reihen praktizieren. Nicht ins Parlament gewählte Kandidaten ihrer Liste sollen über AGs in die politische Arbeit eingebunden werden. Wir haben tolle junge Leute begeistern können und haben richtig gut gearbeitet, freut sich Conny Hentz-Dörig. Das solle fortgesetzt werden.
Zusammenarbeiten möchte die SPD in dieser Legislaturperiode mit allen im Parlament vertretenen Fraktionen. Wir haben allen Fraktionen Gespräche angeboten. So weit liegen wir bei den meisten Themen gar nicht auseinander, ist Fraktionschef Dirk Kurzawa von einer konstruktiven Arbeit überzeugt.
Artikel aus dem Lauterbacher Anzeiger vom 04.06.2016 von Claudia Kempf