Die Gründung der Lauterbacher SPD als örtliche Parteiorganisation war vermutlich um 1913. Hierüber gibt es jedoch keine Unterlagen. Um die Anfangsjahre der Sozialdemokratie in Lauterbach nachvollziehen zu können, sind wir auf Veröffentlichungen im Lauterbacher Anzeiger (LA) angewiesen. Wir beziehen uns im folgenden auf eine geschichtliche Artikelserie des Journalisten Volker Nies, der dankenswerter Weise all das aus seiner umfangreichen Arbeit herausgefiltert hat, was für die Lauterbacher SPD von Belang ist.
Schwerer Anfang
Die Sozialdemokraten in Lauterbach wurden 1902 aktiv, Anfang 1904 war die Partei so etabliert, dass der LA über eine Parteiveranstaltung berichtete. Bis dahin allerdings und auch später – hatte es die SPD nicht leicht. In einem Kommentar vom 24. Januar 1877 warnte die Heimatzeitung vor den Sozialdemokraten, die das Christentum austreiben, Eigentum beschlagnahmen und die Obrigkeit verjagen wolle. Im Frühjahr 1880 sah der LA in der SPD eine große versuchungsvolle Gefahr für unser Volk.In dem Wahlkampf zur Reichstagswahl 1893 kam es in Lauterbach vermutlich zur ersten Wahlversammlung der SPD. Auf dem Schützenplatz sprach ihr Reichstagskandidat, der Schuhmacher Ignaz Brand aus Frankfurt. Brand erhielt im Kreis nur 5,7 Prozent. In Lauterbach selbst lagen die Nationalliberalen (36,4 Prozent) und die Freisinnigen (34,9 Prozent) vorn. Die SPD holte 23,2 Prozent. Die Antisemiten kamen auf nur 5,5 Prozent.
Roter Kalender "ins Feuer"
Auch Ende 1902 begannen die Parteien, sich für die Reichstagswahl 1903 zu rüsten. Als erste Partei machte die SPD mobil. Mitte Dezember 1902 brachten SPD-Anhänger in der Dämmerung, wie der LA schrieb, sozialdemokratische Kalender in die Wohnungen. Die Heimatzeitung wetterte: Mögen unsere Landsleute den Kalender, der von Gehässigkeit gegen Staat, Religion und Besitz strotzt, eingedenk der in den letzten Tagen erfolgten kaiserlichen Warnungen dahin befördern, wohin seine rote Farbe deutet ins Feuer.Am 31. Januar 1904 fand die erste Parteiversammlung der SPD in Lauterbach statt, über die der LA berichtete. Im Gasthaus Keutzer sprach Reichstagskandidat Dr. Robert Michels über die Ungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich. Der LA bezeichnete seine Vorstellungen als naiv.
Lange nicht "salonfähig"
Bei der Reichstagswahl im Jahre 1907 erhielt die SPD in manchen kleinen Dörfern nicht eine Stimme. Stark war sie in Frischborn (46,8 Prozent), Maar (25,9 Prozent) und Lauterbach (28 Prozent). Zu diesem Zeitpunkt dürfte es in Lauterbach einen SPD-Verband gegeben haben, denn im Mai 1907 berichtete der LA von einer Mai-Feier des sozialdemokratischen Wahlvereins im Hessischen Hof. Salonfähig war die Partei freilich noch nicht. Im November 1906 hatte die evangelische Landessynode in Darmstadt erklärt, dass irgendwelche politische Förderung oder Begünstigung der heutigen Sozialdemokratie mit dem Amtspflichten eines evangelischen Geistlichen unvereinbar ist. Da kann man nur sagen: Gott sei Dank die Zeiten haben sich geändert!